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Kriminologische Evaluation der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle (Saale)

Die Situation

Eine sozialtherapeutische Behandlung von behandlungsfähigen Sexualstraftätern mit einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren ist seit 2003 mit der Neufassung des § 9 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz vorgesehen, um das Rückfallrisiko dieser Tätergruppe gezielt zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund kam es in den letzten Jahren zu einem Auf- bzw. Ausbau sozialtherapeutischer Einrichtungen im bundesdeutschen Strafvollzug. Aktuell gibt es ca. 1.800 entsprechende Behandlungsplätze in insgesamt 45 Einrichtungen. Mit 116 sozialtherapeutischen Haftplätzen gehört die eigenständige Sozialtherapeutische Anstalt (SothA) in Halle (Saale) zu den größten ihres Typs in der Bundesrepublik. Neben Sexualstraftätern werden dort aber auch andere Delinquenten, beispielsweise Gewaltstraftäter, behandelt.

Die einschlägige Rückfallwahrscheinlichkeit von Sexualstraftätern liegt bei circa 20%. Ältere deutsche Studien und internationale Forschungsergebnisse, insbesondere neuere Evaluationsstudien und Meta-Analysen aus dem nordamerikanischen Raum, belegen eine Rückfall reduzierende Wirkung therapeutischer Maßnahmen. Doch unterschiedliche Zielgruppen und Behandlungskontexte erlauben es häufig nicht, Ergebnisse anderer Länder uneingeschränkt insbesondere auf Deutschland nach der Rechtsänderung (Behandlungspflicht) zu übertragen.

Trotzdem lassen sich eindeutige Trends ausmachen: Multimodale Programme, die an den Kognitionen und konkreten Verhaltensmustern der Straftäter ansetzen, weisen deutlich bessere Effekte auf als der Durchschnitt aller Maßnahmen. Sie verdeutlichen den Probanden ihre eigenen falschen (kriminogenen) Einstellungen, eröffnen Möglichkeiten, eigenes kriminelles Verhalten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern; Bewältigungsstrategien für konkrete Situationen werden vermittelt, erprobt und gefestigt.

Demnach lautet die entscheidende Frage nicht mehr, ob Behandlung wirkt, sondern mit welcher Behandlung bei welchen Tätern und unter welchen Bedingungen bestimmte Wirkungen erzielt werden können.

Diese Studie

Diese Evaluationsstudie wird seit August 2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Eine Anschubfinanzierung des Justizministeriums des Landes Sachsen-Anhalt  ermöglichte im Rahmen einer Vorstudie die Planung, die Herstellung des  Feldzugangs, die Testung der Erhebungsinstrumente sowie den Beginn der  Datenerhebung. Aufgrund des Untersuchungsdesigns mit drei über mehrere Jahre verteilten Messzeitpunkten ist das Forschungsprojekt auf Langzeit (ca. zehn Jahre) angelegt (bis 2012).

Die Forschungsfrage dieser  Evaluationsstudie ergibt sich aus der Gesetzeslage und dem  Erkenntnisstand im Forschungsbereich. Es ist zu klären, ob und durch  welche sozialtherapeutische Behandlung von Sexualstraftätern das  Rückfallrisiko gesenkt werden kann.

Die Untersuchungsgruppe bilden  alle Sexualstraftäter der SothA Halle. Aus allen anderen  Sexualstraftätern, die im sachsen-anhaltischen normalen  Regelvollzug wegen eines sexuellen Missbrauchsdelikts oder wegen einer  sexuellen Nötigung bzw. Vergewaltigung inhaftiert sind, wird eine  Vergleichsgruppe gebildet. Gesondert betrachtet werden die Abbrecher der  Sozialtherapie, Sexualstraftäter, die im Normalvollzug an  therapeutischen Maßnahmen teilnehmen und sozialtherapeutisch behandelte  Nicht-Sexualstraftäter der SothA Halle (überwiegend  Gewaltstraftäter).

Das Forschungskonzept sieht eine  Prozessevaluation und eine Vergleichsgruppenanalyse vor.
Die  Prozessevaluation beinhaltet drei Schwerpunktmessungen
•  zu  Beginn der Sozialtherapie (t1),
•  am Ende der  Sozialtherapie (t2) und
•  zwei Jahre nach der  Haftentlassung (t3).
Durch diese Verlaufsmessung soll die  Wirkung der sozialtherapeutischen Maßnahmen, insbesondere anhand der  Veränderungen und der Stabilität dynamischer Kriminalitätsfaktoren,  analysiert werden.

Im Sinne der Vergleichsgruppenanalyse wird der  einschlägige und nicht einschlägige Rückfall von sozialtherapeutisch  behandelten und nicht behandelten Sexualstraftätern verglichen. Des  Weiteren erfolgt eine Gegenüberstellung dieser beiden Gruppen in ihren  Problemlagen.

Projektteam

Prof. Dr. iur. Kai-D. Bussmann (Projektleiter)
Diplom-Psychologin Kathrin Richter (Projektkoordinatorin)
Diplom-Soziologin Simone Seifert

wissenschaftliche Hilfskräfte:

Dipl.-Psych. Stefanie Werner-Houndjo
cand.-soz. Antje Gansewig
cand.-soz. Julia Tausch
stud. psych. (B.A.) Lorena Plescia

Publikationen

- 2013 - Bussmann, Kai-D. und Richter, Kathrin: Kriminologische Evaluation der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle (Saale)
Abschlussbericht_SothA.pdf (329 KB)  vom 20.01.2015

Anhang zum Abschlussbericht
Anhang_Abschlussbericht_Sotha.pdf (1,2 MB)  vom 20.01.2015

  • 2010 - Niemeczek, Anja: Sexistische Einstellungen – Ein Vergleich von  Sexualstraftätern mit strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen  Personen. Zeitschrift Polizei und Wissenschaft (Heft 1, S. 22-31).
  • 2010 - Seifert, Simone und Thyrolf, Anja: Das Klima im Strafvollzug. Eine  Befragung von Gefangenen einer sozialtherapeutischen Einrichtung. Neue  Kriminalpolitik (Heft 1, S. 23-31).
  • 2008 - Bussmann, Kai-D.; Seifert, Simone; Richter, Kathrin:  Probanden im sozialtherapeutischen Strafvollzug: Delinquenzbelastung,  Biograpie und Persönlichkeitsmerkmale. Monatsschrift für Kriminologie  und Strafrechtsreform (Heft 1, S. 6-21).
  • 2007 - Bussmann, Kai-D.; Seifert, Simone; Richter, Kathrin: Sozialtherapie im Strafvollzug: Die kriminologische Evaluation der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle (Saale). In: Bender, Doris; Jehle, Jörg-Martin; Lösel, Friedrich. Band 110 der Neuen Kriminologischen Schriftenreihe.

Fachtagungen und Präsentationen

  • 2009: Posterpräsentation auf der Wissenschaftliche Fachtagung der Kriminologischen Gesellschaft (Gießen)
  • 2009: Vortrag auf der 13. Arbeitstagung der Fachgruppe Rechtspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. (Gießen)
  • 2008: Vortrag auf dem Kongress der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen (Luzern)
  • 2007: Expertenrunde Kriminologische Zentralstelle (Wiesbaden)
  • 2007: Vortrag auf der 12. Arbeitstagung der Fachgruppe Rechtspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. (Kiel)
  • 2006: Posterpräsentation auf 9th Conference of the International Association for the Treatment of Sexual Offenders (Hamburg, 2006)
  • Vortrag vor den Leiterinnen und Leiter Sozialtherapeutischer Einrichtungen (Fulda)
  • 2005: Posterpräsentation auf der 11. Arbeitstagung der Fachgruppe Rechtspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. (Bern)
  • 2005: Vortrag auf der Wissenschaftliche Fachtagung der Neuen Kriminologischen Gesellschaft (Nürnberg)
  • 2004: Vortrag auf der 10. Arbeitstagung der Fachgruppe Rechtspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. (Berlin)
  • 2003: Vortrag an der Führungsakademie des Justizvollzugs (Celle)
  • 2003: Forschungskolloquium zur Basisdokumentation Strafvollzug (Düsseldorf,)
  • 2002: Vortrag auf dem Arbeitstreffen zur Evaluation von Straftäterbehandlung (Kriminologische Zentralstelle, Wiesbaden)
  • 2002 7th Conference of the International Association for the Treatment of Sexual Offenders (Wien)

Berichte

  • 2007 - Bussmann, Kai-D.; Seifert, Simone; Richter, Kathrin:  Kriminologische Evaluation der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle  (Saale). 1. unveröffentlichte Arbeitsbericht. Halle (Saale): Martin-Luther-Universität  Halle-Wittenberg (gefördert von der DFG)
  • 2004 - Bussmann, Kai-D.; Seifert, Simone;  Richter, Kathrin; Kranhold, Andrea:Kriminologische Evaluation  der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle (Saale). 2. unveröffentlichter  Zwischenbericht. Halle (Saale): Martin-Luther-Universität  Halle-Wittenberg (gefördert vom Ministerium der Justiz des Landes  Sachsen-Anhalt).
  • 2002 - Bussmann, Kai-D.; Seifert, Simone: Kriminologische Evaluation der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle (Saale). 1. unveröffentlichter Zwischenbericht. Halle (Saale): Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (gefördert vom Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt).

Dokumente - Downloads

Posterpräsentation_Untersuchungsdesign_Aug.2005
geschützt_Posterpräsentation_UD_Aug.2005.pdf (36,2 KB)  vom 13.02.2007

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